19. Arbeitstagung von KOOP-Litera Österreich
VERTRETERINNEN ÖSTERREICHISCHER LITERATURARCHIVE UND VERWANDTER INSTITUTIONEN TRAFEN SICH VON 6.–8. MAI ZU AUSTAUSCH UND DISKUSSION IN KREMS
Die rund 50 TeilnehmerInnen aus ganz Österreich sowie Gäste aus Luxemburg und der Schweiz trafen sich am 6. Mai in Krems zu einem Workshop, der traditionellerweise immer am Nachmittag vor der Tagung stattfindet und sich in diesem Jahr der Planung und praktischen Umsetzung von Ausstellungen widmete. Das Thema war seit längerem ein Desiderat, da die in Vor- und Nachlässen üblicherweise vorhandenen Materialien die AusstellungsgestalterInnen vor besondere Herausforderungen der Präsentation und Vermittlung stellen. Einleitende Impulse und praktische Tipps zum Umgang mit Vor- und Nachlassmaterialien im Ausstellungswesen gaben Wendy Jo Coones, Lehrgangsleiterin an der Donau-Universität Krems sowie zu konservatorischen Fragen die Restauratorin Patricia Engel, Donau-Universität Krems. Einen Überblick über die wichtigsten Punkte zur Abwicklung von Leihvorgängen gab Petra-Maria Dallinger, die als Leiterin des Oberösterreichischen Literaturarchivs im StifterHaus Linz bereits große Ausstellungen verantwortete. Auf Basis ihres Referats soll von der Kommission Nachlassbearbeitung innerhalb der Vereinigung Österreichischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare (VÖB), der auch Frau Dallinger angehört, eine Empfehlung erarbeitet und online zur Verfügung gestellt werden.
Am 7. Mai begrüßte Mag. Hermann Dikowitsch, Leiter der Abteilung Kunst und Kultur des Amtes der Niederösterreichischen Landesregierung, die TeilnehmerInnen und stellte die Kunstmeile und den Campus Krems als Drehscheibe der Vernetzung von Museen, Kultur und Wissenschaft vor.
Nach Berichten aus den einzelnen Archiven widmete man sich dem Thema „Vorlasshandel“: Andreas Renoldner beleuchtete das Thema aus der Sicht der Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV) und diskutierte anschließend unter der Moderation von Volker Kaukoreit (Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek) am Podium mit Erika Wimmer (Forschungsinstitut Brenner Archiv, Innsbruck), Gerhard Fuchs (Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung, Graz) und Petra-Maria Dallinger. Als sachlich unrichtig und populistisch kritisiert wurde Alois Schöpfs Essay „Wenn Dichter nehmen“, der polemisch mit dem „Vorlasshandel“ von AutorInnen abzurechnen versucht. In der Diskussion wurde diesem Standpunkt von den VertreterInnen der Archive eine nachweisbar seriöse Praxis der Bewertung von Vor- und Nachlässen entgegengehalten (u.a. durch die Einbeziehung externer Gutachten).
„Ausstellungen in Literaturarchiven“ war, anknüpfend an den Workshop vom Mittwoch, der Schwerpunkt des Nachmittags mit den Vorträgen „Staging Knowledge“ von Wendy Jo Coones und „Buchobjekte und literarische Dokumente in (virtuellen) Ausstellungen“ mit Beispielen von wirkungsvoll im Raum inszenierten Objekten von Stefan Iglhaut, Berliner Ausstellungsentwickler und Lehrbeauftragter am Department für Bildwissenschaften der Donau-Universität Krems. Michael Hansel vom Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek stellte als mitverantwortlicher Kurator das neu eröffnete Literaturmuseum der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien vor. Helmut Neundlinger berichtete über die geplante Neugestaltung der W.H. Auden-Gedenkstätte im niederösterreichischen Kirchstetten, die im September 2015 eröffnet werden wird. Daniela Bartens vom Franz-Nabl-Institut für Literaturforschung in Graz gewährte Einblicke in die Nachlass-Ausstellung „Haufenweise Schwab“ am Literaturhaus Graz und Manfred Mittermayer zeigte Frank Wedekinds Welt in der von ihm kuratierten Ausstellung im Deutschen Theatermuseum in München.
Da eine stärkere Vernetzung der Literaturarchive mit den Musikarchiven als wünschenswert angesehen wird, stand der Vormittag des 8. Mai unter dem Titel „Vor- und Nachlässe von Komponisten“. Clemens Zoidl stellte die in Krems beheimatete Ernst-Krenek-Privatstiftung vor, Gundula Wilscher den Vorlass Friedrich Cerhas am Archiv der Zeitgenossen und Eike Fess seine Arbeit am Arnold Schönberg Center in Wien. Deutlich wurden die Anstrengungen der Musikarchive, ihre Bestände der Öffentlichkeit anzubieten: Musik- und Bilddatenbanken werden aufgebaut und vernetzt.
In den anschließenden Beiträgen zu „Aspekten der Archivpraxis“ wurde von Volker Kaukoreit und Martin Wedl vom Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek die aufwendige, in internationaler Zusammenarbeit entstehende Anpassung der „Regeln zur Erschließung von Nachlässen und Autographen“ (RNA) an das neue internationale Regelwerk „Resource Description and Access“ (RDA) zur Erschließung von Bibliotheks- und Archivbeständen vorgestellt, das ab Ende 2015 im österreichischen Bibliothekenverbund eingeführt wird. Diese Anpassung ist notwendig, um weiterhin das pragmatische Regelwerk RNA nutzen zu können. Rudolf Probst, stellvertretender Leiter des Schweizerischen Literaturarchivs in Bern – einer Einrichtung, in der Bestände aus allen vier Landessprachen aufbewahrt und erschlossen werden –, thematisierte die Erstellung eines mehrsprachigen Glossars von Archivbegriffen und wies darauf hin, dass aufgrund kultureller Unterschiede Schwierigkeiten bei der Übersetzung zentraler Archivbegriffe wie „Vorlass“ und „Nachlass“ festzustellen sind. Abschließend gab Patricia Engel einen kurzen Überblick über die Probleme und Möglichkeiten der Konservierung moderner Handschriften, der bis zu einem kleinen Exkurs über die Unterscheidung zwischen Spinnentieren (8-beinig, ungefährlich) und Insekten (6-beinig, schädlich) reichte.
Wie immer stand am Schluss der Tagung ein Ausblick: Das 20. Arbeitstreffen von KOOP-LITERA Österreich wird im Mai 2016 in Salzburg stattfinden. Anlässlich dieses „Jubiläums“ ist die gemeinsame Ausstellung aller Netzwerkpartner geplant. KOOP-LITERA international wird 2017 in Berlin ausgerichtet
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