Friedrich Cerha
Bestand
Beginnend mit der ersten Komposition des achtjährigen Friedrich Cerha aus dem Jahr 1934 befinden sich sämtliche originale Musikhandschriften des Komponisten im Bestand. Eigene Texte zu musiktheoretischen, kultur- und gesellschaftspolitischen Fragestellungen sowie zu eigenen Werken, umfangreiches Korrespondenzmaterial, Fotografien und vielfältige Rezeptionsdokumente zeugen von der künstlerischen und persönlichen Entwicklung des Komponisten. Beachtlich ist auch die umfangreiche Sammlung an audiovisuellen Medien - Proben- und Konzertmitschnitte sowie Portraits und Interviews. Mit dem Archiv des Ensembles „die reihe“ und einem Konvolut an Materialien von Gertraud Cerha zeichnet der Bestand ein Bild des kulturellen Lebens im Österreich der Nachkriegszeit. Der Vorlass befindet sich im Zustand einer sehr guten Vorordnung und wird laufend erweitert. Sämtliches Archivmaterial aus den Jahren 1935–2008, einschließlich der AV-Medien, liegt auch in digitalisierter Form vor.
Vorlass Friedrich Cerha
Zeitraum: ab 1934
Werke:
- Musikhandschriften (Skizzen, Entwürfe, Reinschriften) und Kopien mit handschriftlichen Eintragungen
- Schriften (Notizen zu eigenen Werken, musiktheoretische und gesellschaftspolitische Schriften, Entwürfe zu Vorträgen und Aufsätzen)
- Bearbeitungen und Abschriften von Werken anderer Komponisten
Korrespondenz:
- Briefe von und an Friedrich (und Gertraud) Cerha
Lebensdokumente:
- Zeugnisse, Ausweise, Urkunden
- Porträts und Fotografien bei Proben und Aufführungen, mit der Familie, mit KünstlerkollegInnen
Sammlungen:
- Audiovisuelle Medien
- Notendrucke (Belegexemplare)
- Plakate
- Programmhefte
- Pressedokumentation
- Verlagsmaterial
- Sekundärliteratur
Kryptobestände:
Archiv des Ensembles „die reihe“
- Korrespondenz, Material zu Vorträgen und Sendungen zum Konzertzyklus „Wege in unsere Zeit“
Bestand Gertraud Cerha
- Korrespondenz, Texte und Unterlagen zu Vorträgen.
Biografie
Friedrich Cerha wurde 1926 in Wien geboren. Schon vor Abschluss des Gymnasiums leistete er als Luftwaffenhelfer aktiven Widerstand, desertierte dann zweimal von der deutschen Wehrmacht und erlebte das Kriegsende als Hüttenwirt in den Tiroler Bergen. Ab 1946 studierte er an der Akademie für Musik in Wien Violine, Komposition und Musikerziehung und an der Universität Musikwissenschaft, Germanistik und Philosophie. (1950 Promotion zum Dr. phil.)
Zunächst war er als Geiger und Musiklehrer tätig und stand einerseits in Kontakt zur avantgardistischen Untergrundszene junger Maler und Literaten um den Art-Club und andererseits zum Schönberg-Kreis der österreichischen Sektion der IGNM; der Schönberg-Schüler Josef Polnauer gab ihm privaten Analyseunterricht zu Werken der Wiener Schule. 1956–58 nahm er an den Darmstädter Ferienkursen für neue Musik teil, wo er sich mit den Ideen der internationalen Avantgarde auseinandersetzte, aber auch in Kursen bei Eduard Steuermann und Rudolf Kolisch Werke von Arnold Schönberg und Anton Webern studierte.
1958 gründete er mit Kurt Schwertsik das Ensemble „die reihe“, das in der Folge Pionierarbeit in der Präsentation von Werken der Avantgarde, der Wiener Schule und der gesamten klassischen Moderne leistete und internationale Anerkennung fand.
Von 1959 an lehrte Friedrich Cerha an der Hochschule für Musik in Wien, wo er 1976–88 eine Professur für „Komposition, Notation und Interpretation neuer Musik“ innehatte.
Von 1960–97 war er als Dirigent mit renommierten Ensembles und Orchestern bei international führenden Institutionen zur Pflege neuer Musik und Festivals (Salzburger Festspiele, Berliner Festwochen, Wiener Festwochen, Biennale Venedig, Warschauer Herbst, Festival d’Automne Paris, Jyväskylä-Festival, Musica Viva München, Nutida Musik Stockholm, Neues Werk Hamburg, Musik der Zeit Köln etc.) und an Opernhäusern (Staatsoper Berlin, Wien, München, Teatro Colon Buenos Aires etc.) tätig.
1978 gründete er mit Hans Landesmann im Wiener Konzerthaus den Zyklus „Wege in unsere Zeit“, den er bis 1983 leitete. Ab 1994 verband ihn auch eine intensive Interpretationsarbeit mit dem Klangforum Wien, dessen Präsident er bis 1999 war.
Cerhas Herstellung einer spielbaren Fassung des 3. Akts der Oper Lulu von Alban Berg (UA 1979 in Paris), hat der Musikwelt ein wesentliches Werk des 20. Jahrhunderts vollständig erschlossen.
Seine eigene Oper Baal wurde 1981 bei den Salzburger Festspielen, Der Rattenfänger 1987 beim Steirischen Herbst und Der Riese vom Steinfeld 2002 an der Staatsoper Wien uraufgeführt.
Cerha erhielt zahlreiche Aufträge für Ensemble-, Chor- und Orchesterwerke durch hervorragende Institutionen und Festivals (Koussevitzky-Foundation New York, BNP Paribas Paris, Südwestfunk Baden-Baden, Westdeutscher Rundfunk, Musica Viva München, Konzerthaus Berlin, Steirischer Herbst Graz, Festival de música de Canarias, Konzerthaus und Musikverein Wien, Wiener Philharmoniker etc.) und ebenso zahlreiche Preise und Ehrungen, zuletzt 2006 das Österreichische Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst, den Orden „Officier des Arts et Lettres“, den „Goldenen Löwen“ der Biennale Venedig für sein Lebenswerk, 2011 den Musikpreis Salzburg und 2012 den Ernst von Siemens Musikpreis.
Friedrich Cerha ist am 14. Februar 2023 in Wien verstorben.
Zum Werk - Friedrich Cerha
Werk
Friedrich Cerhas musikalisches Œuvre umfasst bis heute rund 200 Orchester-, Kammermusik- und Solowerke sowie fünf große Musiktheaterwerke.
Neben zahlreichen Bearbeitungen alter Musik fand Cerha große internationale Beachtung durch die 1979 abgeschlossene Herstellung einer spielbaren Fassung des 3. Aktes der Oper Lulu von Alban Berg.
Werkverzeichnis Friedrich Cerha